Neue Grenzwerte bei Mutterkorn – Tipps für den Pflanzenbau

Neue Grenzwerte bei Mutterkorn – Tipps für den Pflanzenbau

Die Grenzwerte für Mutterkorn in der gereinigten Ware werden erneut abgesenkt. Zudem wird es ab Juli 2024 auch Grenzwerte für die vom Mutterkornpilz gebildeten Alkaloide geben. Hat dies Auswirkungen auf die Ware aus der Ernte 2023? Und wie kann aktiv zur Minimierung von Mutterkorn beigetragen werden? Marieta Hake, Produktmanagerin für Hybridgetreide, erklärt die Möglichkeiten.

Die Grenzwerte für Mutterkorn in der gereinigten Ware sollen zum 01.07.2024 von 0,5 auf 0,2 g/kg herabgesetzt werden. Neu hinzugekommen sind außerdem Grenzwerte für Mutterkornalkaloide, die in der nun geltenden Verordnung mit 500 μg/kg festgelegt wurden und im nächsten Schritt auf 200 μg/kg im Juli 2024 verschärft werden sollen.

Zunächst einmal geben die aktuellen Ergebnisse der Besonderen Ernteermittlung Entwarnung: Im Jahr 2023 gab es im Vergleich zu den Vorjahren ein sehr geringes Vorkommen von Mutterkorn-Sklerotien im Erntegut. Trotz der Verschärfung der Grenzwerte liegt daher ein Großteil der Roggen-Partien unterhalb der zulässigen Grenzwerte. Allerdings gibt es durchaus regionale „Ausreißer“.

Auffällig bei den regional betroffenen Beständen war, dass es in dieser Region genau zu der Zeit der Blüte stärker geregnet hat. Dadurch wurde der Pollenflug und die Befruchtung behindert. In den anderen Hauptanbauregionen des Roggens gab es eben dieses Regenereignis nicht zu dem kritischen Zeitpunkt, daher ist Mutterkorn in diesen Regionen nicht in großem Ausmaß aufgetreten.


Fremdbefruchter wie Roggen sind besonders anfällig

Mutterkorn-Sklerotien sind die biologische Überwinterungsform des Pilzes Claviceps purpurea. Sie lassen sich generell an allen Getreidearten finden, treten jedoch insbesondere bei Fremdbefruchtern wie Roggen vermehrt auf. Während Weizen und Gerste sich überwiegend selbst befruchten, findet bei Roggen die Befruchtung der Narbe nicht innerhalb einer Blüte statt. Vielmehr ist für eine erfolgreiche Befruchtung fremder Pollen notwendig, der von benachbarten Pflanzen auf die Narbe trifft. Die größere Distanz zwischen Pollenquelle und Narbe bei Roggen im Vergleich zu Selbstbefruchtern bildet die Grundlage für eine erhöhte Mutterkornanfälligkeit. Je größer die Distanz zwischen Pollenquelle und Narbe, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass Mutterkornsporen die offenen Blütenstände infizieren können.


hohes Pollenschüttungsvermögen
hohes Pollenschüttungsvermögen


Hohes Pollenschüttungsvermögen reduziert das Infektionsrisiko

Um die Wahrscheinlichkeit einer Infektion zu verringern, benötigt es ein hohes Pollenschüttungsvermögen der Pflanze. Je mehr Pollen zur Verfügung steht, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Mutterkornspore die offene Blüte infiziert. Denn das Verhältnis von Pollen und Mutterkornsporen verschiebt sich zugunsten der Pollenmenge und so wird die Wahrscheinlichkeit des Auftreffens einer Mutterkornspore auf der Narbe minimiert.

Da es gegen Mutterkorn keine Resistenzgene gibt, ist die Erhöhung des Pollenschüttungsvermögens der Roggenpflanze die einzige pflanzenzüchterische Möglichkeit der Mutterkornabwehr.


Witterung zur Blüte entscheidet nicht ausschließlich über die Infektionsstärke

Die Witterung zur Blüte hat einen erheblichen Einfluss auf die Pollenschüttung der Pflanze. Feuchte und kühle Witterungsbedingungen zur Blüte bilden die optimalen Bedingungen für eine Infektion mit Mutterkornsporen. Diese Witterungsbedingungen sorgen für eine verminderte Pollenschüttung sowie einen schlechteren Pollentransport innerhalb des Bestandes, da der Pollen verklumpt und durch den Wind deutlich weniger weit transportiert werden kann. Zudem bleiben die Blüten bei kühler Witterung deutlich länger offen, was die Wahrscheinlichkeit einer Mutterkorninfektion erhöhen kann. An der Witterung kann man natürlich nichts ändern. Aber in trockenen Frühsommern sieht man leider immer wieder Bestände, die während der Blüte beregnet werden. Zur Zeit der Blüte sollte unbedingt auf die Beregnung und auch auf Pflanzenschutzmaßnahmen verzichtet werden!


Bestandesführung hat ebenfalls großen Einfluss auf den Mutterkornbefall

Ein weiterer Einflussfaktor ist die optimale Bestandsführung. Ziel sollte es sein, möglichst gleichmäßige Bestände zu etablieren. Die Bildung von Zwiewuchs sollte vermieden werden, da Nachschosser verspätet abblühen und somit weniger Pollen zur Befruchtung zur Verfügung steht. Darüber hinaus dringt weniger Pollen vom primären Ährenband zu den tiefer liegenden Nachschossern. Fahrgassen sollten in ausreichender Breite angelegt werden, um mechanische Einwirkungen auf die Pflanzen zu vermeiden.

Ausfallgetreide oder Gräser am Feldrand bilden die Grundlage für Erstinfektionen im Frühjahr, von denen Infektionen an den Kulturpflanzen ausgehen. Somit bildet eine gute Feldhygiene die Basis für eine Reduzierung des Infektionsrisikos. Ein erstes Indiz, das sich der Pilz einnisten konnte, ist das Auftreten von Honigtau (s. Bild).


Besondere Ernteermittlung 2021 und 2022
Besondere Ernteermittlung 2021 und 2022


Wie stark ist der Einfluss der Sorte tatsächlich?

Neueste Erkenntnisse aus Wissenschaft und offiziellen Stellen zeigen, dass es unter Praxisbedingungen keine Sortenunterschiede in der Anfälligkeit für Mutterkorn gibt (Abb. 1). Die Roggenzüchter arbeiten kontinuierlich an einer Verbesserung des Pollenschüttungsvermögens ihrer Sorten. Daneben gibt es zusätzlich die Möglichkeit, durch Einmischung von Populationsroggen das Pollenangebot zusätzlich zu erhöhen. Die SAATEN-UNION verfolgt diese Strategie zusätzlich zu den züchterischen Entwicklungen. Populationsroggen haben natürlicherweise ein höheres Pollenschüttungsvermögen als Hybridsorten. Die Beimischung von 10 % Populationsroggen hat keinen messbaren negativen Ertragseffekt, erhöht aber die Mutterkornabwehr aller Pflanzen des Feldes.


Fazit

Gegen die Witterung als größten Einflussfaktor auf den Mutterkornbefall ist man machtlos. Umso wichtiger ist es, für die Vermeidung von Mutterkorn, die Pollenverfügbarkeit im Bestand bestmöglich zu unterstützen. Dies kann durch die Vermeidung von Zwiewuchs, durch gleichmäßige Bestände als auch den Verzicht auf Beregnung zur Blüte unterstützt werden. Die Einmischung von Populationsroggen ist eine zusätzliche Maßnahme. Die Sortenwahl bietet jedoch kein adäquates Mittel zur Mutterkornminimierung.


Schnell gelesen (Kurzfassung):

Trotz der verschärften Grenzwerte liegen die meisten Roggen-Partien aus der Ernte 2023 unterhalb der zulässigen Werte, wobei regionale Unterschiede auftreten. Besonders betroffen sind Regionen, in denen während der Blüte viel Regen fiel.

Roggen als Fremdbefruchter ist anfälliger für Mutterkorn. Die Distanz zwischen Pollenquelle und Narbe beeinflusst die Anfälligkeit. Ein hohes Pollenschüttungsvermögen reduziert das Infektionsrisiko, da mehr Pollen die Wahrscheinlichkeit verringern, dass Mutterkornsporen die Blüte infizieren. Da es keine Resistenzgene gibt, kann rein züchterisch nur über die Steigerung des Pollenschüttungsvermögens die Anfälligkeit für Mutterkorn reduziert werden..

Nicht nur eine feuchte und kühle Witterung zur Blüte beeinflusst die Pollenschüttung negativ und erhöht so das Infektionsrisiko. Die Bestandesführung ist ebenfalls entscheidend: Gleichmäßige Bestände , die Vermeidung von Zwiewuchs, Feldhygiene, breite Fahrgassen und die Vermeidung von Ausfallgetreide sind elementar zur Reduktion des Infektionsrisikos.

 Sortenunterschiede in der Anfälligkeit für Mutterkorn sind sehr gering – das zeigen auch neuere Untersuchungen. Alle Roggenzüchter arbeiten an der Verbesserung des Pollenschüttungsvermögens, aber auch die Beimischung von Populationsroggen stärkt die Mutterkornabwehr.

Fazit: Es ist entscheidend, die Pollenverfügbarkeit im Bestand zu erhöhen. Die Sortenwahl allein ist jedoch kein adäquates Mittel zur Mutterkornminimierung.