Versuchsbericht: Herbstaussaat von Sommerbraugerste - überwiegen die Vorteile?

Versuchsbericht: Herbstaussaat von Sommerbraugerste - überwiegen die Vorteile?

Immer häufiger wird Sommerbraugerste schon im Herbst ausgesät, um zum Beispiel Winterfeuchtigkeit besser zu nutzen, die Ertragsleistung zu steigern und gleichzeitig die besseren Marktpreise für Sommerbraugersten „mitzunehmen“. Dieses Verfahren birgt auch Risiken, weshalb die Länderdienststellen in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt diese Thematik frü

Die Aussaat der Sommerform von Getreide im Herbst ist bei Weizen, als sogenanntem „Wechselweizen“, zumindest regional bereits seit vielen Jahren etabliert. Zum Teil wurde dieses Anbauverfahren, bei deutlich geringerer Bedeutung, auch bei Hartweizen und Triticale praktiziert.


Versuchsparzellen Herbstaussaat Sommerbraugerste, Bild: Guddat
Versuchsparzellen Herbstaussaat Sommerbraugerste, Bild: Guddat
PRO Herbstaussaat

Eher neu ist es dagegen, Sommerbraugerstensorten im Herbst zu bestellen. Und dies, obwohl gute Winterbraugerstensorten zur Verfügung stehen. Da jedoch Sommerbraugerste besser nachgefragt und in der Regel besser bezahlt wird, können bei vergleichbaren Erträgen höhere Marktleistungen bei Sommergerste realisiert werden.

Die Herbstaussaat von Sommerbraugerste kann zudem auch eine Option zur Anpassung an die klimatischen Veränderungen sein, um Ertrag und Qualität zu sichern: längere Vegetationszeit, bessere Ausnutzung der Winterfeuchtigkeit, früherer Beginn der Kornfüllungsphase und damit weniger starker Einfluss von Trocken- und Hitzephasen im Sommer.


CONTRA Herbstaussaat

Die Herbstaussaat von Sommerbraugerste birgt jedoch auch pflanzenbaulich potenzielle Nachteile: Einschränkungen bei der Ungrasbekämpfung speziell in Regionen mit starkem Auftreten von Ackerfuchsschwanz (zeitlich kürzerer Spielraum als bei Frühjahrsbestellungen) sowie ein grundsätzlich höherer Krankheitsdruck. Hier ist besonders der Befall mit Rhynchosporium zu nennen. Das sollte bei der Sortenwahl berücksichtigt werden. Zudem besteht das Risiko von Auswinterungsschäden, das jedoch regional unterschiedlich zu bewerten ist. Die Gefahr von Auswinterungen im Getreide ist in kontinentaleren Lagen, wie z. B. in Ostdeutschland und speziell im nordöstlichen Gebiet, sicherlich größer als in milderen und maritimen Gebieten des Landes. Es gibt jedoch keine Region, in denen keine Auswinterungen auftreten können. Umbrüche infolge von Auswinterungsschäden erfolgten innerhalb der letzten 20 Jahre in größerem Umfang in Deutschland 2003 und vor allem 2012 sowie im Nordosten (Mecklenburg-Vorpommern) auch 2016. Eine Prognose, in welchem Jahr und wo genau knackige Kahlfröste vorkommen werden, ist nicht möglich. Im Februar 2021 gab es regionale Temperaturen bis minus 20 °C und darunter. Die Saaten wurden jedoch in diesen Fällen durch eine ausreichende Schneebedeckung geschützt.

Ein Risiko von Kahlfrösten ist also nicht von der Hand zu weisen. Kommt es zu Auswinterungen bei im Herbst gesäten Sommergetreide, so kann bzw. sollte die Aussaat im Frühjahr mit derselben Sorte wiederholt werden.


Aktivitäten der Länderdienststellen

Die Länderdienststellen in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt haben die Thematik frühzeitig aufgegriffen und zunächst einen Testanbau durchgeführt (Erntejahre 2019 und 2020). Ziel war es, eigene Erfahrungen zu sammeln und die Praxis zu begleiten. Aufgrund vielversprechender Eindrücke und zunehmender Anfragen aus der Praxis werden seit der Herbstaussaat 2020 (Erntejahr 2021) in einer Serie mit randomisierten Versuchen belastbare Ergebnisse für diese Fragestellung erarbeitet.

In der Versuchsserie im Anbaugebiet der Lössböden Ostdeutschlands werden Sommerbraugerstensorten im Anbauverfahren der Herbstaussaat hinsichtlich Sorteneignung, Ertrags- und Qualitätseigenschaften sowie Resistenzverhalten in zwei Intensitätsstufen, analog der Landessortenversuche, verglichen. Besondere Beachtung finden neben dem Ertragsverhalten und der Qualitätssicherheit die Überwinterungsfähigkeit sowie die Widerstandsfähigkeit gegenüber der in diesem Anbauverfahren besonders wichtigen Krankheit Rhynchosporium. Die Prüfung beschränkt sich auf Sorten, die in der Praxis Anbaubedeutung als Sommerbraugerste haben bzw. diese kurzfristig erhalten können (Kandidaten im „Berliner Programm“) und deren Prüfung von Züchterseite gewünscht ist. Im Prüfjahr 2020/2021 waren dies die Sorten AVALON, RGT Planet, Leandra, Prospect, Amidala und KWS Jessie. Zudem wurde eine etablierte Winterbraugerstensorte in den Versuchen mitgeprüft. Die Aussaat erfolgte je nach Versuchsort zwischen dem 25. Oktober und 5. November mit einer Saatstärke von 240 bis 260 keimfähigen Körnern je m² (Ausnahmen: Amidala und Winterbraugerste KWS Somerset). Frühere Saattermine sind wegen der Gefahr des Überwachsens und einer dadurch ggf. schlechteren Überwinterungschance nicht zu empfehlen. Neben der Betrachtung der Sorten werden Vergleiche zum konventionellen Anbau im Frühjahr angestellt, da die entsprechenden Landessortenversuche ebenfalls an den genutzten Standorten durchgeführt werden.


Erste Versuchsergebnisse

Überwinterungsfähigkeit: In der Kälteperiode in der ersten Februarhälfte 2021 mit Tiefsttemperaturen bis zu minus 20 °C schützte eine ausreichend hohe Schneebedeckung die Pflanzen an allen Versuchsorten vor Auswinterungsschäden. Ohne Schneeauflage wäre vermutlich eine Neuansaat der Sommerbraugerste notwendig geworden. Erste Erkenntnisse aus Provokationsversuchen zur Winterfestigkeit (Weihenstephaner Kastenmethode) deuten darauf hin, dass alle hier geprüften Sommerbraugerstensorten in dieser Hinsicht deutlich empfindlicher reagieren als die zweizeilige Winterbraugerstensorte KWS Somerset.

Rhynchosporium trat in der extensiven Prüfstufe (ohne Fungizid- und ohne Wachstumsreglerbehandlung) in der Herbstaussaat an allen Versuchsorten auf und war 2021 die dominierende Krankheit. Zum Teil war der Befall recht stark, mit deutlichen Sortenunterschieden (Tab. 1). In der Frühjahrsaussaat spielte Rhynchosporium in diesem Jahr dagegen nahezu keine Rolle.

Pflanzenlänge: Bei der Herbstaussaat fand aufgrund der längeren Vegetationszeit im Vergleich zur Frühjahrsaussaat an allen Versuchsorten ein stärkeres Längenwachstum der Sommerbraugerste statt. Der Unterschied in der Pflanzenlänge (Stufe 1) betrug zwischen den beiden Saatzeiten durchschnittlich 7 cm. Dies sollte in Abhängigkeit der Jahres- und Standortbedingungen bei der Bestandesführung der Sommerbraugerste in Herbstaussaat beachtet werden.

Ertrag: Im Erntejahr 2021 wurden mit der Herbstaussaat an allen Versuchsorten höhere Kornerträge erzielt (Abb. 1). Das galt sowohl bei ortsüblicher Intensivierung mit Fungiziden und Wachstumsreglern (+ 15 dt/ha) als auch für die extensive Prüfstufe ohne den Einsatz von Fungiziden und Wachstumsreglern (+ 14 dt/ha). Dabei fiel die Sorte Leandra bei der Herbstaussaat besonders positiv auf.

Die Sommerbraugerstensorten schnitten in der Herbstaussaat ertraglich zwar besser ab als die mitgeprüfte zweizeilige Winterbraugerstensorte. Allerdings erreichte diese in den Landessortenversuche bei früheren Aussaatterminen bis Anfang Oktober deutlich höhere Erträge.


Ertragsvergleich Frühjahrs/Herbstaussaat
Ertragsvergleich Frühjahrs/Herbstaussaat

Rhynchosporiumbefall
Rhynchosporiumbefall


Kornqualität

Der Rohproteingehalt lag 2021 im Durchschnitt in der Herbstaussaat (11,2 %) unter dem der Frühjahrsaussaat (11,7 %), allerdings mit Standortunterschieden. Anders als beim Testanbau im trocken-heißen Jahr 2019 wurden bei der Frühjahrsaussaat gegenüber der Herbstaussaat an allen Orten die besseren äußeren Kornqualitäten erzielt. So betrug der Vollgersteanteil in der Frühjahrsaussaat durchschnittlich 93,2 % und in der Herbstaussaat 80,2 %. Ähnlich verhielt es sich beim Hektolitergewicht mit 66,7 kg/hl in der Frühjahrsaussaat und 63,8 kg/hl in der Herbstaussaat. Dabei waren die Unterschiede der geprüften Sorten in der Herbstaussaat größer als in der Frühjahrsaussaat.

Es handelt sich um einjährige, ausschließlich von den Anbaubedingungen des Jahres 2020/2021 beeinflusste Versuchsergebnisse. Sowohl für die Bewertung des Anbauverfahrens als auch für die Eignung der Sorten sind deshalb weitere Prüfjahre zwingend erforderlich.

Fotos: Christian Guddat, Dr. Anke Boenisch

1 Thüringer Landesamt für Landwirtschaft und Ländlichen Raum

2 Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie

3 Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau Sachsen-Anhalt


Schnell gelesen (Kurzfassung):

Pro Herbstaussaat

Es gibt einen regionalen Trend, Sommerbraugerstensorten im Herbst zu bestellen. Und dies, obwohl gute Winterbraugerstensorten zur Verfügung stehen.

Da spricht für eine Herbstaussaat:

  • Sommerbraugerste wird besser nachgefragt und in der Regel besser bezahlt.
  • Die Herbstaussaat als  Option zur Anpassung an die klimatischen Veränderungen sein: längere Vegetationszeit, bessere Ausnutzung der Winterfeuchtigkeit, früherer Beginn der Kornfüllungsphase und damit weniger starker Einfluss von Trocken- und Hitzephasen im Sommer.

Contra Herbstaussaat

Das spricht gegen eine Herbstaussaat von Sommergerste:

  • Einschränkungen bei der Ungrasbekämpfung speziell in Regionen mit starkem Auftreten von Ackerfuchsschwanz (zeitlich kürzerer Spielraum als bei Frühjahrsbestellungen)
  • grundsätzlich höherer Krankheitsdruck (Rhynchosporium)
  • Risiko von Auswinterungsschäden

Aufgrund vielversprechender Eindrücke und zunehmender Anfragen aus der Praxis werden von den Länderdienststellen in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt seit der Herbstaussaat 2020 (Erntejahr 2021) in einer Serie mit randomisierten Versuchen belastbare Ergebnisse für diese Fragestellung erarbeitet.


Erste Versuchsergebnisse

Überwinterungsfähigkeit: In der Kälteperiode in der ersten Februarhälfte 2021 mit Tiefsttemperaturen bis zu minus 20 °C schützte eine ausreichend hohe Schneebedeckung die Pflanzen an allen Versuchsorten vor Auswinterungsschäden. Ohne Schneeauflage wäre vermutlich eine Neuansaat der Sommerbraugerste notwendig geworden. Erste Erkenntnisse aus Provokationsversuchen zur Winterfestigkeit (Weihenstephaner Kastenmethode) deuten darauf hin, dass alle hier geprüften Sommerbraugerstensorten in dieser Hinsicht deutlich empfindlicher reagieren als die zweizeilige Winterbraugerstensorte KWS Somerset.

Rhynchosporium trat in der extensiven Prüfstufe (ohne Fungizid- und ohne Wachstumsreglerbehandlung) in der Herbstaussaat an allen Versuchsorten auf und war 2021 die dominierende Krankheit. In der Frühjahrsaussaat spielte Rhynchosporium in diesem Jahr dagegen nahezu keine Rolle.

Pflanzenlänge: Bei der Herbstaussaat fand aufgrund der längeren Vegetationszeit im Vergleich zur Frühjahrsaussaat an allen Versuchsorten ein stärkeres Längenwachstum der Sommerbraugerste statt.

Ertrag: Im Erntejahr 2021 wurden mit der Herbstaussaat an allen Versuchsorten höhere Kornerträge erzielt. 

Qualität: Der Rohproteingehalt lag 2021 im Durchschnitt in der Herbstaussaat (11,2 %) unter dem der Frühjahrsaussaat (11,7 %), allerdings mit Standortunterschieden. Der Vollgersteanteil in der Frühjahrsaussaat betrug durchschnittlich 93,2 % und in der Herbstaussaat 80,2 %. Ähnlich verhielt es sich beim Hektolitergewicht mit 66,7 kg/hl in der Frühjahrsaussaat und 63,8 kg/hl in der Herbstaussaat. Dabei waren die Unterschiede der geprüften Sorten in der Herbstaussaat größer als in der Frühjahrsaussaat.

Es handelt sich um einjährige, ausschließlich von den Anbaubedingungen des Jahres 2020/2021 beeinflusste Versuchsergebnisse. Sowohl für die Bewertung des Anbauverfahrens als auch für die Eignung der Sorten sind deshalb weitere Prüfjahre zwingend erforderlich.