„Wir brauchen professionelle Kommunikation mit Verbrauchern“

Gerhardt Schmidt, Kommunikationstrainer, Dozent und Agrarjournalist hat auf einigen Winterforen, die von der SAATEN-Union und der VEREINIGTEN HAGEL ausgerichtet wurden, ein Vortrag zum Thema „Auf welche Politik in Europa, Bund und Ländern muss sich die Landwirtschaft einrichten?“ gehalten. In einem Gespräch mit der praxisnah* erläutert er seine Meinung zur aktuellen Lage der deutschen Bäuerinnen und Bauern.  

Gerhardt Schmidt
Gerhardt Schmidt
Saaten Union: Wie beurteilen Sie die aktuelle Lage unserer Bauern?
Schmidt: Das Szenario, das in unserem Land - vor allem in Politik und Medien - gegen die Landwirtschaft läuft, ist ein sehr bewusst veranstaltetes Drama, ein echtes Trauerspiel. Die Autoren, Regisseure und Darsteller dieser mittlerweile seit Jahren andauernden Inszenierungen sind ideologisch gesteuerte, „alles-besser-wissende, selbst ernannte Weltenretter“, die unsere Landwirte für nahezu alle aktuellen Schwierigkeiten und Fehler in unserer Gesellschaft verantwortlich machen.


Saaten Union: Warum steht ausgerechnet die Landwirtschaft so stark im Fokus dieser Kritiker?

Schmidt: Ich bin ja dafür bekannt, dass ich Klartext spreche. Nach dem deutschen Ausstieg aus der Atomkraft hatten die Grünen urplötzlich ihr Hauptthema verloren. Einige Schlaumeier sind dann auf die Idee gekommen, dass die Landwirtschaft ja durchaus auch etwas mit Grün zu tun hat. Die ersten Kampagnen der grünen Partei, immer gestützt von ihren zahlreichen Unter- und Nebenorganisationen, also einigen Nicht-Regierungsorganisationen, richteten sich dann zunächst gegen die Tierhaltung, die ihnen zu groß, zu wenig artgerecht ist. Wir kennen das alle. Die bewusst eingesetzten Kampfbegriffe zu diesen Themen muss ich ja nicht wiederholen. Mittlerweile wird Landwirtschaft, weil man sich ganz und gar auf unsere Bauern konzentriert hat, für schlechtes Klima, belastete Luft, verunreinigtes Grundwasser und vieles mehr verantwortlich gemacht.


Saaten Union: Und warum erhalten diese Gruppen in Medien und Politik und damit ja auch in großen Teilen der Bevölkerung so große Aufmerksamkeit?

Schmidt: Dafür gibt es eine Vielzahl von Gründen. Ich nenne die vier Hauptpunkte: Erstens sind die Fakten über die Landwirtschaft in unserer Gesellschaft so wenig bekannt wie nie zuvor. Das gilt übrigens auch für weite Teile der Politik. Zweitens wird Landwirtschaft zu einem äußerst emotionalen Thema aufgespielt. Ich nenne nur die Stichworte Tierschutz, Tierliebe und natürlich Ernährung. Ernährung geht jeden an, auch wenn unsere Nahrung ja für viele nur aus den Supermärkten kommt. Drittens betreiben die Landwirtschaftsgegner eine sehr professionelle Medien- und Öffentlichkeitsarbeit und fahren große Kampagnen, für die sie auch noch hohe Spendensummen kassieren. Viertens haben sich diese Kampagnen-Initiatoren in den Medien und der Politik eine Vielzahl von Anhängern herangezogen, von denen sie hundertprozentige Unterstützung erfahren.


Saaten Union: Aber Öffentlichkeitsarbeit betreibt die Landwirtschaft doch auch?

Schmidt: Ja, ganz sicher. Vor allem nach innen. Die Landwirte selbst sind fachlich immer gut informiert, durch ihre Verbände, Genossenschaften, durch Maschinenringe, durch wichtige Organisationen wie die Saaten-Union und viele andere. Für eine einheitliche PR-Arbeit nach außen fehlt es allerdings an drei Voraussetzungen. Zum Ersten an Einigkeit und Geschlossenheit: Landwirtschaft ist so vielschichtig, aber auch so vielfältig, so divers und hat so viele sehr spezifische Felder, die es zu beackern gibt - da sind die Interessen einfach sehr unterschiedlich. Zum Zweiten fehlt es an Mut, sich auch mal deutlich mit den Gegnern anzulegen und ihnen deutlich zu widersprechen. Die Demonstrationen der letzten Woche waren allerdings ein wichtiger, guter Anfang. Und drittens fehlt es einfach auch am Geld. Weil es zu wenig Bereitschaft gibt, für gute und sinnvolle Öffentlichkeitsarbeit mehr zu investieren, in Köpfe und Kampagnen.


Viele Landwirte/innen betreiben professionell und erfolgreiche Kommunikation in Richtung Endverbraucher/in
Screenshot der Internetseite https://diskuhsion.com/
Screenshot der Internetseite https://diskuhsion.com/

Saaten Union: Wie sollte denn Öffentlichkeitsarbeit für die Landwirtschaft aus Ihrer Sicht konkret aussehen?

Schmidt: Vor allem, und das muss immer wieder betont werden, ist es viel Arbeit. Wir brauchen zunächst ein klares Ziel, das alle Beteiligten gemeinsam mit ansteuern. Wir brauchen klare Botschaften. Wir brauchen eine ebenso deutliche Strategie, eine sehr gut geplante Vorgehensweise. Wir müssen alle Medien nutzen, denn mit keinem Medium erreichen wir alle. Aber moderne Landwirtschaft muss nicht nur mit Zahlen, Daten, Fakten arbeiten. Die Menschen wollen auch unterhalten werden. Landwirtschaft hat ein sehr hohes Unterhaltungspotenzial. Es muss nur wirklich erkannt, genutzt und sehr gut durchdacht „verkauft“ werden.


Saaten Union: Viele Landwirte berichten aber immer wieder darüber, dass sie mit den Menschen in ihrer direkten Umgebung gar keine Schwierigkeiten haben. Wer muss denn erreicht werden mit der neuen, anderen Öffentlichkeitsarbeit?

Schmidt: Wer „seinen“ Bauern kennt, hat in der Tat meistens nichts zu meckern. Warum auch? Wir haben es allerdings mehr und mehr mit Menschen in Großstädten zu tun, die noch nie auf einem Bauernhof waren. Das ist leider Fakt. Wir brauchen viel mehr Möglichkeiten, Höfe zu besichtigen. Aber dafür sind Konzepte nötig. Seit vielen Jahren besuche und besichtige ich mit unterschiedlichen Gruppen Höfe in ganz Deutschland und mache dabei erschreckende Erfahrungen. Nicht nur die Fragen, die dort gestellt werden, sind von einer unglaublichen Unwissenheit geprägt. Auch die Präsentation der Höfe, der Tiere, der Arbeit auf den Höfen ist nicht immer optimal. Da fehlt es an Konzepten, an Vorbereitungen. Aber nichts ist wichtiger als der persönliche Kontakt, der direkte Besuch, die neue Nähe zur Landwirtschaft. Unsere Höfe haben so viel Gutes, Neues, Interessantes und Wichtiges zu bieten, es muss nur professionell verbreitet werden.


Saaten Union: Was gehört denn hier zur Professionalität?

Schmidt: Die Gruppen, die Höfe besichtigen und besichtigen sollten, sind höchst unterschiedlich. Sie müssen auch unterschiedlich angesprochen, geführt und begeistert werden. Es gibt auf einem Hof so viele Fakten, aber auch so viele Geschichten, so viel Anfassbares, zunächst Rätselhaftes und Erklärwürdiges. Die Besichtigungen müssen für Kindergarten- und Grundschulkinder – schon das ist sehr, sehr wichtig – natürlich anders aussehen, als für eine Gruppe von Journalisten, Ingenieuren oder Lehrerinnen.


Saaten Union: Alle diese vielen Punkte gleichzeitig zu realisieren wird die Landwirte sicher überfordern. Womit müssen wir anfangen?

Schmidt: Als Erstes muss das Bewusstsein gestärkt werden, dass die Landwirtschaft nicht mit Abwarten und Stillhalten weiterkommt. Die Demonstrationen waren sehr wichtig und werden auch unverzichtbar bleiben. Ja, es ist viel Arbeit. Und wir wissen, dass Landwirte, die den ganzen Tag hart arbeiten, diese wichtige Öffentlichkeitsarbeit nicht auch noch mal eben nebenher schaffen können. Dazu braucht es auch eine zentrale Organisation. Wir dürfen uns nicht damit abfinden, dass das Bild der Landwirtschaft in Deutschland einerseits weiter durch Gegner intensiv schlecht geredet und geschrieben wird und andererseits durch Sendungen wie „Bauer sucht Frau“ ein Image bekommt, das mit der Realität nichts, aber auch gar nichts zu tun hat.


Saaten Union: Herzlichen Dank, Herr Schmidt.

*Das Interview ist aus dem Januar 2020.

Haben Sie Fragen an Herrn Schmidt?

Gerhardt Schmidt

medienstatt

schmidt@medienstatt.de

0171 530 3700




Ihre Ansprechpartnerin

Stefanie Rinne

SAATEN-UNION, Digitale Kommunikation und Pressearbeit
Tel.: +49 511 72666-249
Fax: +49 511 72666-300